80 Jahre Pogrom - ein GeDenkprojekt

Hintergründe

Synagoge Kohle Forster 200


„80 Jahre Pogrom“ in Wittlich

Das Projekt, das wir heute vorstellen wollen, ist in Zusammenarbeit des Arbeitskreises „Jüdische Gemeinde Wittlich“, des Emil-Frank-Instituts, des Kulturamtes der Stadt Wittlich und nicht zuletzt mit Frau Liane Deffert und Schülerinnen und Schülern des Peter-Wust-Gymnasiums entstanden. Ihnen möchte ich schon an dieser Stelle sehr herzlich für ihr Engagement und ihre Kreativität danken. Es ist ein dezentrales Projekt an verschiedenen Orten in der Stadt, und deshalb wird sich an die Eröffnung hier auch ein Rundgang durch die Stadt anschließen.

Zu dem Anlass des Projektes, zum historischen Hintergrund möchte ich aber einiges in Erinnerung rufen.

Wären wir vor 90 Jahren, also 1928, durch diese Stadt gegangen, dann hätten wir überall auf jüdische Bürger treffen können. Und zwar nicht auf solche, die als Fremde aufgefallen wären durch ihre Kleidung oder anderes. Und sie wären auch keine Neuzuwanderer gewesen. Viele hätten schon auf 200 Jahre Familiengeschichte in Wittlich verweisen können. Ur-Wittlicher sozusagen.
Wir hätten auch viele jüdische Geschäfte sehen können, Textilgeschäfte am Markt oder Metzgereien. Wir hätten die vielen jüdischen Viehhändler hier am Bahnhof oder dem Viehmarkt oder in der Gastwirtschaft Mehs treffen können. Wir hätten die Juden am Sabbat sehen können, wie sie zu ihrer neuen, schönen Synagoge gingen und ihre Feste feierten.

Vor 80 Jahren, im Herbst 1938, war davon schon nicht mehr viel übrig geblieben. Fünf Jahre nationalsozialistischer Herrschaft hatte Spuren hinterlassen. Schritt für Schritt waren die Juden ihrer Rechte beraubt worden. Staatsbürgerliche Rechte, wirtschaftliche Existenzen, ein gutes Zusammenleben mit der übrigen Bevölkerung: Alles dies gab es nicht mehr. Viele Juden hatten Wittlich bereits verlassen. Die Zahl der Juden war von ca. 260 auf ungefähr achtzig geschrumpft. Nur wenige Kinder besuchten noch die jüdische Schule in der Kirchstraße, und auch der Gottesdienst in der Synagoge war nicht mehr das, was er mal gewesen war. Trotzdem waren dies bis zum November die Orte, an denen man sich im eigenen Kreis noch ein wenig vor den Anfeindungen in der Öffentlichkeit sicher fühlen konnte.

Das war am 10. November 1938 vorbei. Eine Gruppe von 20-30 stadtbekannten Nationalsozialisten und solchen von außerhalb unter der Leitung von Kreisleiter Kölle und SA-Standartenführer Ancel marschierte vom Marktplatz zur Synagoge und verwüstete in kurzer Zeit den gesamten Raum. Es flogen Bücher und Toramäntel auf die Straße, der Kronleuchter wurde heruntergeschlagen. Und es gab eine große Zahl von Wittlichern, die zumindest zusahen, was passierte. Auch die Wohnungen von Juden, etwa in der Oberstraße oder in der Trierer Landstraße, wurden zerstört. Offene Gewalt gegen Menschen, mutwillige Zerstörung oder Plünderung ihres Eigentums – und keine Polizei war da, die eingriff. Die jüdischen Männer wurden aus der ganzen Umgebung ins Gefängnis in Wittlich gebracht.

Spätestens jetzt wussten die Juden, dass es für sie hier keine Zukunft gab. Die Synagoge war zerstört, die Geschäfte geschlossen, ebenso die jüdische Schule. Wer konnte, verließ Wittlich und nach Möglichkeit auch das Land. Wer das nicht schaffte, führte hier noch drei Jahre lang ein kümmerliches Dasein, bis im Oktober 1941 die Deportationen in den Osten begannen.
Unser Projekt will an diese Menschen erinnern, die in dieser Stadt zu Hause waren und alles verloren haben, zuletzt das Leben.
Auch heute gibt es Millionen Menschen, denen ihr Eigentum, ihre Heimat, ihr Leben genommen werden. Sie kommen auch hierher, in unsere Stadt. Und unser Projekt soll so auch dazu beitragen, dass in der Erinnerung an damals ihnen nicht Hass und Feindlichkeit entgegenschlägt, sondern Offenheit und Zuwendung. Damit sie Wittlicher werden können.
Dr Marianne Bühler, Mitglied des Arbeitskreises zur Eröffnung des Projektes
Bild: Kohlezeichnung von Lothar Forster, Privatbesitz

Das Projekt wurde durch geführt vom Arbeitskreis "Jüdische Gemeinde Wittlich", vom Emil Frank Institut, dem Kulturamt der Stadt Wittlich und Schülerinnen und Schülern des Peter-Wust-Gymnasiums Wittlich unter Leitung von Liane Deffert. 

Die Arbeit der Schülerinnen und Schüler ist Preisträger des Kreutzer - Voremberg Preises 2019.

Fotos: Hans Wax, Werner Bühler