„Machtergreifung“

Kategorie: Das Jahr 1933

Reichspräsident Hindenburg ernennt am Morgen des 30. Januar Hitler zum Reichskanzler. Die Nationalsozialisten sprachen von „Machtergreifung“. In Wittlich gab es – folgt man der Parteipresse („Nationalblatt“) – „mächtige Kundgebungen“ sowohl am Abend als auch am folgenden Tag. Das bislang zentrumstreue „Wittlicher Tageblatt“ berichtet künftig regelmäßig über nationalsozialistische Aktivitäten, was vorher eher selten oder gar nicht der Fall war. Der bisherige Schriftleiter Ernst Meyer wurde entlassen – 1934 verlor Meyer auf Betreiben der Wittlicher NSDAP – weil „politisch nicht tragbar“ – auch seine Stelle beim Finanzamt.

Sieger der Reichstagswahl vom 5. März 1933, die man nur noch sehr bedingt als freie Wahl bezeichnen kann, war die NSDAP, auch wenn der Stimmenzuwachs hinter den Erwartungen der Nationalsozialisten zurückgeblieben war: reichsweit knapp 44 Prozent, in Wittlich 33,5 Prozent. Das Zentrum behauptete seine Vormachtstellung in der Stadt mit über 43 Prozent. Am 6. März hissten die Nationalsozialisten die Hakenkreuzfahne auf dem Rathaus.

Bei der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung am 12. März stimmten 508 Wählerinnen und Wähler für die NSDAP, die somit drei Mandate erhielt. Mit 1512 Stimmen (und neun Mandaten) blieb das Zentrum die stärkste Kraft. Die „Mittelstandsliste“, nach Mehs „die Liste der Edelnazis“, hatte drei und die „Kampffront Schwarz-Weiß-Rot“ ein Mandat erzielt. Die SPD war leer ausgegangen;

2 Georg Basten ehemaliger KPD Vorsitzender in Wittlich Foto Amt für Wiedergutmachung Saarburg 213 3123 Jacoby Inhaftierung 600 3124 Obergeföll Bescheinigung 500 

der KPD-Kandidat, der Arbeiter Georg Basten, hatte 184 Stimmen erhalten; er konnte sein Mandat jedoch nicht wahrnehmen, da er nach dem Reichstagsbrand Ende Februar in „Schutzhaft“ saß.
Weitere Wittlicher KPD-Mitglieder wurden im Frühjahr 1933 aufgrund der „Reichstagsbrandverordnug“ verhaftet. Die 81 KPD-Reichstagsmandate wurden am 31. März 1933 „storniert“ – die Partei wurde formell nie verboten, war aber in die Illegalität gedrängt. Über 11.000 Mitglieder saßen in „Schutzhaft“.


 

 

Autor: Franz-Josef Schmit, November 2020

Literatur

  • Mehs, Matthias Joseph: Tagebücher vom November 1929 bis September 1946. Hrsg. von Günter Wein und Franziska Wein. 2 Bd., Trier 2011.
  • Petry, Klaus: Wittlich unter dem Hakenkreuz. 3. Teil der Stadtgeschichte. Wittlich 2009.
  • Zeitenwende. Das 20. Jahrhundert im Landkreis Bernkastel-Wittlich. Bearbeitet von Erwin Schaaf. Wittlich 2000.
  • Wein-Mehs, Maria: Juden in Wittlich 1808 – 1942. Wittlich 1996.
  • Einbezogen sind eigene Recherchen des Verfassers zum Nationalsozialismus in Wittlich.