Die Archenholds

Die Himmelskanone

Kategorie: Archenhold

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Franz-Josef Schmit

Als der Astronom Friedrich Simon Archenhold und sein Sohn Günter am 15. März 1932 durch ihr Riesenfernrohr im Treptower Park in Berlin schauten, entdeckten die beiden Wissenschaftler einen annähernd bis zum Rand mit Lava gefüllten 200 Meter hohen Mondkrater vom Typ Wargentin - für die damalige Zeit eine echte Sensation. Friedrich Simon Archenhold (1861-1939) stammte aus Lichtenau/Westfalen und sollte zum bekanntesten Vertreter einer viel köpfigen jüdischen Familie werden, deren Spuren bis nach Wittlich reichen. 

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Der Astronom war ein Verwandter des Kaufmanns Isaak Archenhold, der 1888 in Wittlich Rosa Stulz geheiratet hatte. Aus dieser Ehe hervorgegangen ist Franz Otto Archenhold, der in Wittlich seinerzeit hoch geschätzte Rechtsanwalt und Förderer des lokalen Sportwesens.

Das Leben des wissensdurstigen Friedrich Simon Archenhold stand lange Jahre unter einem günstigen Stern: Ab 1888 arbeitete er als einer der wichtigsten Mitarbeiter an der Universitätssternwarte bei Wilhelm Foerster, der das Talent und die Originalität des Lichtenauers zu schätzen und zu fördern wusste. Am 27. Oktober 1891 war dem jungen Forscher eine erste astronomische Entdeckung - ein bis dahin unbekannter Nebel im Sternbild Perseus - gelungen. Doch die astronomischen Autoritäten in Berlin reagierten mit Ablehnung - was Archenhold entdeckt habe, sei schon längst bekannt. Gemäß seinem Lebensmotto „Den lieb ich, der Unmögliches begehrt" entwickelte Archenhold erste Ideen zur Konstruktion eines großen Fernrohres, um seine Entdeckung auch beweisen zu können. Zum 25-jährigen Jubiläum der Reichshauptstadt sollte 1896 eine große Gewerbeausstellung stattfinden, und Archenhold setzte alles in Bewegung, zu diesem Anlass eine besondere Attraktion präsentieren zu können: ein Riesenfernrohr von 35 m Länge und einem Objektivdurchmesser von 128 cm. Als die Finanzierung noch keineswegs gesichert war, beauftragte der wagemutige Archenhold bereits verschiedene Firmen - darunter die Glasfirma Schott & Gen in Jena - mit Arbeiten für den Refraktor. Zur Eröffnung der Gewerbeausstellung war das Teleskop, dessen Länge aus konstruktionstechnischen Gründen auf 21 Meter und einen Objektivdurchmesser von 68 Zentimetern reduziert werden musste, noch nicht fertiggestellt. Dennoch konnte Archenhold dem in Scharen herbeiströmenden Publikum im Treptower Park Möglichkeiten seiner „Himmelskanone“ erläutern. Zeitgleich mit der Inbetriebnahme des Fernrohres erfolgte die Gründung der Treptower Volkssternwarte, deren Vorsitzender Friedrich Simon Archenhold bis 1937 war und die seit 1946 Archenhold Sternwarte heißt. 

Archenhold gelang es auch, renommierte Wissenschaftler nach Treptow zu locken: Am 2. Juni 1915 hielt Albert Einstein im Vortragssaal der Sternwarte seinen ersten öffentlichen Vortrag über die Relativitätstheorie in Berlin.

Seit 1983steht das noch immer voll funktionsfähige und längste bewegliche Linsenfernrohr der Erde unter Denkmalschutz und ist das Paradestück der Sternwarte im Treptower Park.

Das Ende der Archenhold-Ära in Berlin und Wittlich nahte jedoch. Der Gründer der Sternwarte übergab 1931 sein Lebenswerk an seinen Sohn Günter, der 1936 von den Nazis aus dem Amt gedrängt wurde. Ehefrau Alice und Tochter

Hilde kamen im KZ Theresienstadt ums Leben; er selbst starb verbittert am 14. Oktober 1939 in Berlin. Die Söhne Günter und Horst konnten 1939 nach England emigrieren. Der Wittlicher Dr. Franz Otto Archenhold, Kriegsfreiwilliger und mit dem Eisernen Kreuz II ausgezeichneter Frontkämpfer, sah sich mit Beginn der NS-Zeit vielfachen Repressalien ausgesetzt: Boykott seiner Anwaltspraxis am 1. April 1933, Verlust seiner Zulassung, öffentliche Demütigungen im Sommer 1935 in Wittlich als „Rassenschänder“. Er verließ Wittlich mit seiner protestantischen Frau Richtung Palästina und emigrierte schließlich in die USA. Später kehrte das Ehepaar Archenhold zurück und lebte in München, wo der frühere Rechtsanwalt 1970 starb. Seine Frau brachte seine Urne schließlich nach Wittlich.

Adresse:
Archenhold Sternwarte
Alt-Treptow 1
12435 Berlin
TeIefon: O30/ 536 063 719
www Info

wiki-Info

  

 

 

 


 Erstveröffentlichung im Trierischen Volksfreund