Gründung der NSDP-Ortsgruppe

Kategorie: Vor 1933

Erster Ortsgruppenleiter war der Beamte Mathias Joseph Müller, geb. 1892 in Sehlem. Er galt aufgrund seiner niedrigen NSDAP-Mitgliedsnummer als „Alter Kämpfer“ der NS-Bewegung. Josef Teusch übernahm im Mai 1933 die Führung der Ortsgruppe. Ab Februar 1934 war Dr. Karl Hürter Ortsgruppenleiter und Stadtbürgermeister. Nach dessen Einberufung im April 1943 zur Luftwaffe leitete der Rektor der Volksschule, Friedrich Engels, die Wittlicher NSDAP für ein Jahr. Ob es noch einen weiteren Ortsgruppenleiter gab, ist nicht bekannt.
Im November 1930 war auch in Wittlich eine Ortsgruppe des „Stahlhelms“, des Bundes deutscher Frontsoldaten, gegründet worden. Bei der Gründung waren 77 Männer beigetreten, die sich überwiegend nach der Auflösung im Juni 1933 der NSDAP anschlossen, aber zuvor schon durch Propagandamärsche etc. zusammen mit der Wittlicher SA den Nationalsozialismus kräftig unterstützt hatten. Auch der „Stahlhelm“ vertrat eine extrem antisemitische Politik.

Zentrumsvorsitzender M.J. Mehs zu den Wittlicher Nationalsozialisten:

Mehs 400„Die Wittlicher Nazis sind meist junge Burschen, im besten Fall Idealisten ohne Kern. Ich verstehe nicht, wie diese Kinder ein solches Getue hier machen können. Aber es gibt eben viele hier in Wittlich, die nach der ‚nationalen‘ Seite hin eine Art Schlagseite haben: die Casinovertreter, Rudolf Lütticken, ehemals Unteroffizier der gloriosen preußischen Armee, die Marinesoldaten, an der Spitze der Wirt Felzen, die sich vom Anzetteln der Revolution im November 18 reinwaschen möchten, Arnold Delveaux, ehemals Schreibstubenhengst des Weltkrieges, der Ziegel-Meyer, ehemals Kantinier, Geldverdiener im Kriege und am Kriege, dito Brauerei Elsen, wo die Zentrale der Wittlicher ‚Nationalen’ ist, Frings selbstverständlich, Amtsgerichtsrat Koenen, der die Position der importierten Zivilprotestanten wanken sieht und deshalb stark nach der Reaktion neigt, der alles aber möglichst unmerklich machen will, natürlich eine Reihe Protestanten, die von jeher im Protest gegen das Bodenständige und gegen die natürliche Entwicklung sind. Wittlicher Kaufmannssöhne, die Welt nicht kennend, die mit verbundenen Augen dem Fremden, dem Unbodenständigen nachlaufen wie Bettler und ihre Heimat verraten. Man schüttelt den Kopf. Weil jeder sich zur Politik berufen glaubt, ohne sie zu vertragen, wird unser Städtchen unnötig zerrissen und zerspalten. Der Riß geht durch Vereine, Freundschaften, Familien. Das Gemeinsame schwindet. Der Unfriede verzehrt Geschäft, Verkehr, Freude, Vaterstadt. Man muß sich schon aus allem raushalten, um Chance und Freiheit für die Zukunft zu haben.“

Tagebuch vom 2. April 1931

Autor: Franz-Josef Schmit, November 2020

Literatur

  • Mehs, Matthias Joseph: Tagebücher vom November 1929 bis September 1946. Hrsg. von Günter Wein und Franziska Wein. 2 Bd., Trier 2011.
  • Petry, Klaus: Wittlich unter dem Hakenkreuz. 3. Teil der Stadtgeschichte. Wittlich 2009.
  • Zeitenwende. Das 20. Jahrhundert im Landkreis Bernkastel-Wittlich. Bearbeitet von Erwin Schaaf. Wittlich 2000.
  • Wein-Mehs, Maria: Juden in Wittlich 1808 – 1942. Wittlich 1996.
  • Einbezogen sind eigene Recherchen des Verfassers zum Nationalsozialismus in Wittlich.